Dynamische Untersuchungen an Gleichstrom

Kleine Anmerkung: Endlich kommt mal wieder ein bißchen Mechanik in's Spiel.

Im realen Einsatz werden Glühlampen dynamisch beansprucht. Dies geschieht einerseits durch einmalige impulsförmige Anregungen, z.B. Kantsteinüberfahrten, als auch durch repitierende Anregungen, z.B. Pflaster, die, je nach System, zu einer nahezu kontinuierlichen Schwingung führen können. Bei den impulsförmigen Anregungen reagiert das System im Steuerrohrbereich mit einer gedämpften Eigenschwingung mit ca. 24-30Hz in der vertikalen Richtung, vorwiegend die Eigenfrequenz der Vorderradgabel. Fahrten über Pflaster erzeugen bei den typischen Geschwindigkeiten und Pflastersteinbreiten eine Anregung bei etwa 25-50Hz. Durch diese Schwingungserregung treten zwei wesentliche Effekte auf: Der weißglühende Glühfaden wird in erzwungene Schwingungen versetzt und verschweißt sich (siehe Beobachtungen auf Seite [*]). Durch die Beschleunigungen ist weiterhin eine verstärkte Gasbewegung im Kolben, speziell in der Nähe des Glühfadens, denkbar. Dies dürfte sich in einer schnelleren Verdampfung des Wolframs, meßbar als $\dot{I}$, äußern. Der Wolframdampf muß ein größeres Volumen ausfüllen und ist nicht so dicht wie im ruhenden Zustand, der Partialdruck fällt, es verdampft mehr Wolfram. Auch wenn es ein untergeordneter Effekt sein dürfte, vorerst ist er nicht zu vernachlässigen (vgl. auch Beobachtungen zum Wolframbelag [*]).

Für idealisierte dynamische Messungen wird eine Bass Pump als Shaker zweckentfremdet. Richtige Shaker kosten mehrere 10kDM. Hier ist es die von Conrad Electronik als Restposten für 20DM verramschte Bass-Pumpe (Best.-Nr. 433039). Im Datenblatt wird eine Leistung von 100W3.27 und 4, daraus folgt eine Spannung von 5 $\mbox{V}_{\mbox{\footnotesize eff}}$, angegeben. Der Frequenzbereich ist mit 28-55Hz angegeben. Der maximale Hub beträgt $h=2,5$mm, dann kontaktieren sich die Schwingmasse und die Aufhängefedern. Der Schwingkörper hat eine Masse von 393g (ohne Befestigungsschraube, Aufhängefedern und Nutzlast), der Korb (mit Aufhängefedern) von 280g. Die Nutzlast ist ein Aluwinkel mit einer Glühlampe (zusammen mit Schraube, Kontaktierung und einem Anteil Kabel zusätzliche 40g). Der Shaker ist auf einem Stahlklotz mit einer Masse von 89,2kg festgeschraubt. Die Eigenfrequenz $\omega_0$ des Testaufbaues liegt bei ca. 40Hz. Die dabei erzielbaren Amplituden $h$ und rechnerische3.28 Beschleunigungen $a$ sind in der Tabelle 3.13 aufgeführt.

Die Ansteuerung des Shakers erfolgt über einen Leistungsverstärker (siehe 3.3.9). Hierbei stehen als Signalformen Sinus, Dreieck und Rechteck zur Verfügung. Auf ein Schmalbandrauschen, wie in [DIN EN 60810] vorgesehen, wird hier vorerst verzichtet. Ebenso wird aufgrund der schnellen Alterung von Fahrradglühlampen auf die 30 Minuten dauernde Alterung verzichtet; die ca. 2Minuten zur Bestimmung der Stromaufnahme an 6V und Prüfspannung sollten reichen.

Der Effektivwert der sinusförmigen Bewegung ist analog zu Formel (B.1) berechenbar.


$\displaystyle T$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{2\pi}{\omega}$ (3.50)
$\displaystyle s$ $\textstyle =$ $\displaystyle h \sin (\omega t)$  
$\displaystyle a$ $\textstyle =$ $\displaystyle \ddot{s}=-h \omega^2 \sin (\omega t)$ (3.51)
$\displaystyle a_{\mbox{\footnotesize eq}}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \displaystyle \frac{h\omega^2}{\sqrt{2}}$ (3.52)

Bei einem Dreieck- und Rechtecksignal sind theoretische Ansätze aufgrund der unstetigen Beschleunigungsvorgänge und der unbekannter Reaktionen des Systemes darauf zu vage. Hier muß real gemessen werden. Ein Beschleunigungsaufnehmer 303A03 von PCB 3.29 wird mit Wachs auf der Verstimmungsmasse befestigt und über einen Ladungsverstärker (PCB 480D06) an einen Fast-Fourier-Transormation (FFT), einen Ono Sokki CF350, angeschlossen. Bei allen drei Signalformen reagiert das Schwingsystem mit einer sinusförmigen Bewegung. Nur die ersten drei Eigenfrequenzen sind ausgeprägt. Der Effektivwert der zweiten Eigenfrequenz beträgt max. ca. 8% der ersten, der der dritten max. ca. 3%. Alle anderen Eigenfrequenzen sind unbedeutend. Versuche mit den anregenden Signalformen Dreieck und Rechteck können an diesem Prüfstand bei Anregung in der Eigenfrequenz bedenkenlos weggelassen werden.3.30 Für weitere Untersuchungen kann der FFT weggelassen werden und das Meßsignal des Beschleunigungssensors gegebenenfalls direkt mit einem Effektivwertmeßgerät gemessen werden. Alternativ wird hier ein linearer Weggeber verwendet.3.31

Die von E. Groß (s. S. [*]) gemessenen Anregungen und Eigenfrequenzen der Gabeln und der Vertikalschwingungen am Oberrohr liegen bei etwa 24Hz und 15m/s$^2$. Bei Kopfsteinpflasterüberfahrten werden am Oberrohr bis zu 15-20Hz und 0,5-1,5g$^2$ gemessen, wobei das die niedrigen Beschleunigungswerte nur mit einer Federgabel erreicht werden. Um die Eigenfrequenz des Shakers dahingehend zu verstimmen muß eine Zusatzmasse $m_z$ auf dem Schwinger montiert werden. Unter Vernachlässigung der (geringen) Dämpfung ist diese Masse relativ einfach abschätzbar:


$\displaystyle \omega_0$ $\textstyle =$ $\displaystyle \sqrt{\frac{c}{m_0}}$ (3.53)
$\displaystyle \omega_{0z}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \sqrt{\frac{c}{m_0+m_z}}$ (3.54)
$\displaystyle m_z$ $\textstyle =$ $\displaystyle m_0\left(\left(\frac{\omega_0}{\omega_{0z}}\right)^2-1\right)=433\mbox{ g}\left(\left(\frac{44,5}{24}\right)^2-1\right)=1055,6\mbox{ g}$  

Die gefertigte Zusatzmasse hat inkl. anteiligem Schraubenschaft eine Masse von $m_z=1027$g.


Tabelle 3.13: Amplituden des Shakers
f U_eff Shaker h $a$
      theoretisch FFT
[Hz] [V] [mm] [(m/s$^2)^2$] [$g^2$]
m_0 1 0,5 27,7 0,288 ?
44,4 2 1,25 69,1 0,718 ?
  3 1,85 102,3 1,063 ?
  4 2,25 124,4 1,293 ?
24 4 0,25 4,0 0,042 ?
  6 0,4 6,4 0,067 ?
m_0+m_z 1 0,85 12,5 0,13 0,14
23 2 1,5 22,2 0,23 0,26
  3 2,5 36,9 0,384 0,37

Die mit dem Beschleunigungsaufnehmer gemessenen und über den Hub3.32 berechneten Effektivwerte sind in unterschiedlichen Meßläufen bestimmt und stimmen hinreichend genau überein.

Mit der Zusatzmasse ist die gewünschte Frequenz leistungsarm erreichbar. Allerdings hat eine leichte Drift der Frequenz ein Verlassen der Eigenfrequenz des schwach gedämpften Systemes und damit eine geringere Amplitude zur Folge. Ohne Zusatzmasse werden bei 24Hz aber selbst bei Überlast nicht die erforderlichen Beschleunigungen erreicht. Eine Regelung ist hier zu aufwendig, es muß damit gelebt werden gegebenenfalls Frequenz oder Amplitude nachzustellen.

Die Lampen werden an Gleichspannung betrieben.

Bild 3.22: Vergleich der dynamischen Messungen
\begin{figure}\centering
\includegraphics[width=10cm]{Meszwerte/Birnen/Ruhetest/Dynamik}
\end{figure}

Die Schwärzung der Lampen ist gering oder sogar unauffällig. Die hohe Lebensdauer von 160h bei 6,5V muß aus Ausreißer angesehen werden, bei 7,5V treten geringere Lebensdauern als unbewegt auf. Auch hier ist eine Mindestdauer bis zum Auftreten des erstens Wicklungsverschweißers beobachtbar. Jedoch treten trotz der mechanischen Belastung nicht auffällig mehr Verschweißer auf.

Olaf Schultz, Hamburg-Harburg
2010-10-02