Bericht einer Tour durch Deutschland 1997, oder der Reiz nach der nächsten Größenordnung!

Fahrer: Olaf Schultz
Fahrrad: enhydra lutris, 22 kg schwer, vorne Nabendynamo ,,Schmidts Original" mit der Decke Schwalbe City Jet (406x32), hinten als Decke den ,,Michelin TS20" (622x20)
Gepäck: 20 kg, für die Strecke, wie sich herausstellte, eindeutig zuviel
Nein, fragt nicht nach einer besseren Streckenführung: Die Haltepunkte (Celle (Verwandschaft), Paderborn (Freunde) und Herzogenaurach (Diplomarbeitsbetreuer)) waren vorgegeben und dazwischen hat sich das Befahren von Bundesstraßen auf der Fahrbahn als sinnvoll erwiesen! NEIN, ICH FANGE KEINE NEUE RADWEGEDISKUSSION AN!!!!

0. Tag, 10.8.: HEW-Cyclassics

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
170 km 36,63 km/h 4o39" 62,9 km/h 30 oC dreh. 2
HEW-Cyclassics: Heiß, krampfig und Rennradfahrer kennen keine belgischen Kreisel. Ich habe am Anfang zuviel Löcher dichtgefahren und schon nach 20 km dafür die Quittung erhalten: Die ersten Krampfanzeichen. Aber dann ging es im Feld bis nach Harburg. Björn und Jens Buckbesch verliere ich beim privaten Verpflegungsstop in Harburg. Auf der Freihafenelbbrücke verkrampften sich zeitweise sogar die Unterarme. Nach Wedel raus bin ich wieder so fit, daß ich mit einem Rattenschwanz Aufrechter hintendrann einige Löcher dichtfahre. Die Monatsration Magnesium hat anscheinend lange bis zu den Muskeln gebraucht.

Die Kölner Gang (Fehlau, Mertens) holt uns trotz nur 90 Sekunden später gestartet sein erst nach 80 km ein, als wir wegen der Pinkelpause von Björn kurzfristig langsamer fahren. Ich verliere kurz darauf bei meiner privaten Wasserstation (Danke Yksi) kurz vor der Autobahnbrücke in Harburg Jens und Björn und hole sie nicht mehr ein.

Und in der Berichtserstattung nur Jan Ulrich-Lobhudelei. Das Ymte mit einem Flevo-Tieflieger vollverkleidet im 170 km-Einzelzeitfahren schneller war, davon kein Wort.


1. Tag, 11.8.: Harburg-Celle

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
101 km 26,95 km/h 3o44" km/h 30 oC O 3
Strecke:Nobleestr. - Heimfelderstr. - Weusthoffstr. - B 75 - B3

Nur eine Einfahretappe, aber auch dafür ist es warm und Gepäck will auch geschleppt werden. In Soltau fliegt mir in einem Semischlagloch mein Fernlicht (schade um die 4-Watt-Lampe im Lumotec und die drei kleinen Spannschlösser zur Justage) raus und wird noch vom Rad überrollt. Aufgrund des Verkehrs schreibe ich es gleich ab und halte nicht an.


3. Tag, 13.8.: Celle-Paderborn

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
174,6 km 26,1 km/h 6o41" 86,9 km/h 30 oC SW 2
Strecke: B3 - Burgdorf Otze - Burgdorf - B443 - Sehnde - Wirringen - Sarstedt - Nordstemmen - B1 - Hemmendorf - Lauenstein - Bessinghausen - Latferde - Grohnde - Lüdge - Schieder - B239 - Bad Meinberg - B1 - Bad Lippenspringe - Paderborn

Ich liebe Kreisverkehre: Sowohl in Elze (AFAIK), wie in Bad Lippenspringe sind die teilweise weit verbreitet. Mit dem Rad kann man da so fast ungebremst durchfahren und die Autofahrer sind gut berechenbar, wenn man guckt wo die reingefahren sind. Allerdings durchfahre ich Kreisverkehre auch auf der Stra"se.

Die Fähre über die Weser hatte natürlich 15 Minuten vor Ankunft ihre einstündige Mittagspause angefangen.

Einige Abschnitte der B1 sind Kraftfahrtstraße: Augen zu und durch, ihr mich auch.

In Paderborn stelle ich abends fest, daß ich die letzten beiden Tage mit Licht gefahren bin, zumindest hat der Nabendynamo fleißig den parallelgeschalteten Felgenläufer (Union) versorgt. OK, Kabel aus dem Felgenläufer rausgerissen und das Problem wäre gegessen.


4. Tag, 14.8.: Paderborn-Fulda

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
152,75 km 24,39 km/h 6o15" 72,7 km/h 30 oC SSW 2
Strecke: B68 - B252 - Twistetal Ellringhausen - Waldeck Höringhausen - B251 - B485 - Waldeck Niederwerbe - Egerstausee - B485 - Bad Willdungen - B485 - Neuental - Schwalmstadt - B254 - Alsfeld Heidelbach - Schwabenroth - Alsfeld - DB bis Fulda

Ab der Kreuzung B68 - B252 bis Diemelstadt-Rhoden ist die B252 eine Kraftfahrtstraße: Augen zu und durch, ihr mich auch.

Im Egerstausee gebadet. Die Abfahrt vorher war schon schwer in Ordnung. Aber daß in Bad Wildungen die 17% Gefälle nicht nutzbar sind, das ist schon unfair.

Von Alsfeld bis Fulda habe ich die Deutsche Bundesbahn in Anspruch genommen. Es war mir einfach zu bergig und heiß und die 10 DM waren es wert. Das Rad hat nichts gekostet!


5. Tag, 15.8.: Fulda-Herzogenaurach

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
201,69 km 25,6 km/h 7o52" 106 km/h 30 oC SW 3
Strecke: Künzell - Pilgerzell - Dietershausen - Weyhers - Hettenhausen - B279 - Bad Neustadt - B19 - B286 - B26 - E48 - Bamberg - Strullendorf - Hirschaid - Altendorf - Seußling - Schlammersdorf - Adelsdorf - B470 - Hemhofen - Hamberg - Heßdorf - Beutelsdorf - Herzogenaurach

Morgens beim Start in Fulda festgestellt, daß bei der kastrierten 323 mal wieder der Gelenkbolzen seitlich rausgerutscht war und deshalb am Vorabend zweimal der Schuh unsanft auskuppelte. Also Werkzeug rausgekramt und Bolzen wieder eingeschoben. Der wird noch festgeschweißt.

Ricola Schweizer Kräutertee (es gab im DroMarkt keinen Zitronentee) ist denkbar ungenießbar als Getränkepulver. Bäh. Nur in einer sehr wäßrigen Konzentration verträgt es der Magen. Zitronenteepulver ist einfach das beste, was Geschmack und Kalorien angeht.

Ab Fulda geht es bis auf einige nicht nutzbare Gefällesstrecken nur rauf bis hinter Gersfeld . Ab dann bis an die fränkische Salle nur runter. Die 106 km/h können entgegen erster Vermutungen nicht von der B279 stammen, die hat in Richtung Bad Neustadt nur unter 10% Gefälle. Eher ist dafür die B19 vor Schweinfurt zu verantworten. Ich muß mal in topographischen Karten reingucken. Die 1:50 TSD sind einfach zu ungenau. Kann entweder an der B19 kurz vor der B286 oder an der Rhön-Abfahrt gewesen sein. Ich war mal schnell, aber das hat man davon, wenn man nicht regelmäßig auf den Tacho guckt.

Die 106 km/h (in Worten Einhundertsechs) stimmen wirklich. Und das mit dem im Wind hängenden Ortlieb-Sack! Die 10E2 km/h sind geknackt, folgt demnächst die nächste Größenordnung (10E3)? 10E0 war im Alter von einem Jahr, 10E1 von 6, 10E2 von 29 geschafft, wann folgt 10E3?

Der Main ist Balsam für die Seele.

In Bamberg ist die Maß Radler (Alsterwasser für die Norddeutschen) weg wie nichts. Rinnt das die Kehle runter. Die restliche Stadtdurchquerung ist abenteuerlich (,,Stadtpläne'' in 1:200000 sind einfach ungeeignet), so daß ich wieder auf der Strecke wie 1992 (seinerzeits mit dem Dino) lande: Ab nach Forchheim. Waren damals auch schon so viele Wurzelaufbrüche auf dem Radweg entlang der Kraftfahrtstraße?

Das Aischtal hoch ist relativ angenehm und auch der Rest bis Herzogenaurach gut zu fahren, auch wenn nach 190 km mit Gepäck so langsam die Energie verbraucht ist.


6. Tag, 16.8.: Herzogenaurach-München

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
183,86 km 25,22 km/h 7o17" 67,6 km/h 30 oC W 4
Werte bis Pfaffenhofen!

Strecke: Herzogenaurach - Cadolzburg - Buttendorf - Schwabach - Roth - Barnsdorf - Georgsgmünd - Pleinfeld - B2 - Dietfurt - Altmühltal - Dollnstein - Wellheim - Hütting - Neuburg - Karlhuld - Pobenahausen - Feinshausen - Hohenwart - Tegernbach - Köhlhof - Pfaffenhofen -DB nach München HBF

Ab Herzogenaurach geht es gleich richtig los: Rauf und runter. Unten im Tal das Dorf mit der abknickenden Vorfahrt ... alles was fies ist, wird heute geboten. Im Regnitztal überholt mich der erste Radfahrer auf meine Deutschlandtour: Ein Triathlet ohne Gepäck. Mir ist gerade beim Verschalten die Kette vom 26er (vorne) runtergeflogen und ich bekam ihn in der welligen Strecke nicht mehr, auch wenn ich einen Kilometer an seinem Hinterrad hänge. Schade. Was da an Pinarellos unterwegs ist, da müßte man sich mal ohne Gepäck aufhalten: Futter für die Seele!

Das Donautal ist wieder mal zum ausspannen: 33~km/h und locker treten. Aber die letzten Kilometer vor Pfaffenhofen werden hart: Rauf und runter. In einigen Abschnitten fahren die Motorradfahrer, da die Strecke so schön kurvig und hügelig ist. Wenn die wüßten, daß die Elbuferstraße für sie am Wochenende gesperrt ist...

Ab Pfaffenhofen DB bis zum Hauptbahnhof München. Nocheinmal 10 km Stadtverkehr. Ein Wesen vom anderen Stern fährt durch München. Irgendsoein Volvo mit UN-Kennzeichen kommt nicht vom Fleck und behindert mich fast über 5 km am Fortkommen, Gaffer.


7.-12. Tag: München:

Ich beiße mir den Hintern ab. Burkhard hat doch eine alte, angelaufene Karbid-Fahrradlampe (Spiegel gerissen und teilweise blind, Gummidichtungen poroß und rissig) rumliegen unnd braucht sie nicht mehr. Ich nehme sie dankend und setze mich gleich schraubend und putzend hin. Beim Abschrauben der Düse (mit der Kombizange) sagt es einmal sehr schnell knacks und die Keramikteile (waren vorher nicht als solche zu identifizieren) splittern durchs Zimmer. Ich kann noch wesentliche Bruchstücke finden um zumindest die Flammenaustrittshöhe zu bestimmen. Da besteht mir jetzt noch was bevor, sie soll ja wieder funktionieren. Bernhard Kiehlbasa, Walter Zorn (er hat inzwischen die dritte, vollgefederte ,,Kreuzotter'' fertig) und ? (Namen sind Schall und Rauch, aber der selbstgebaute Tieflieger sah schön aus) im Wirtshaus zum Herrgottseck getroffen und einen netten Abend beim Erfahrungsaustausch verbracht.

München hat mehr Baustellen als Berlin. Stimmt wirklich Till Sauerwein und Bernhard Graf! Zumindest Straßenbaustellen!


13. Tag, 23.8.: München-Torfhaus

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
70,23 km 21,57 km/h 3o15" 69,9 km/h 30 oC NW 3
Strecke: DB München-Kassel-Göttingen - Nikolausberg - B27 - Herzberg Pöhlde - Schwarzfeld - B27 - Bad Lauterberg - Oderhaus - Odertal - B242 - B4

Achtung: Einige Stellen der B27 sind Kraftfahrtstraße: Augen zu und durch, ihr mich auch. Dazu sind mal nicht überall Radwege und Radwegweisungen. Aber ich fahre Überland eh Straße. Im IC von München(OST) nach Kassel stand das Rad im Fahrradabteil auf dem Heckkoffer senkrecht und mit der Frontverkleidung an der Decke in der Ecke verkeilt und nahm damit weniger Stellfläche ein als ein Upright. Kein Bahnschaffner hat bisher auf die 2 Fahrradtickets für Liegeräder bestanden, aber der im IR von Kassel nach Göttingen. Zum Glück ließ er sich auch so überzeugen, da ich eh in Göttingen aussteigen wollte...

Der erste Berg hinter Nikolausberg ist hart (war ja auch ein Rennradler zu überholen), aber danach geht es auch mit fast 70 km/h runter. Danach kommt nur noch der geliebte norddeutsche Kleinkram (unter ca. 3 Prozent). Erst ab Bad Lauterberg geht es so richtig rauf, aber dafür konstant und an der Oder dann auch kaum noch Autos. Der Weg am Oderstausee ist schlecht und noch relativ stark befahren. Zwischen Staumauer und Bad Lauterberg ist er nicht für schnelle Bergabfahrten geeignet, es sei denn, das Fahrrad ist vollgefedert. Bis ca. 500 m über NN ein Schnitt von 24,Keks (ab Göttingen). An dem für Kfz gesperrten Weg entlang der Oder ist zur Hälfte guter Asphalt und zu anderen Hälfte wenig Kleinpflaster und viel relativ guter (bergauf auch für 20 mm breite Reifen geeigneter) Feinschotter verlegt. Der Weg geht konstant hoch, so daß man sich relativ entspannt daran festbeißen kann. Einen niedriger Gang (vorne 26, hinten ca. 28) einlegen und Kurbeln. Die Wasserversorgung erfolgt direkt vom Fluß oder auf halber Höhe beim Wasserwerk direkt an der Straße aus einem Rohr aus dem Berg.

Erste großflächige Verletzung: Beim Baden im Oderstausee auf einen Stein aufgelaufen. Der war halt im klaren aber dunkelbraunen (Moor) Wasser nicht für einen brillenlosen wassergeilen kurzsichtigen Schwimmer zu sehen.


14. Tag, 24.8.: Torfhaus-Celle

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
115,1 km 30,44 km/h 3o46" 94,4 km/h 32 oC SW 2
Strecke:B4 - Bad Harzburg - Westerode - Lochtrum - Vienenburg - Lengde - Schladen - B4 - B214

Die Nacht war feucht. Ab ca. 700 m ü. NN kondensierte die Luftfeuchtigkeit. Es regnete von den Bämen. Aber hinter dem Klohaus beim Parkplatz für die MIV-Brockenwanderer war ein trockener Fleck. Die letzten kamen um Mitternacht runter, die ersten gingen um 3 Uhr rauf.

Der Ortlieb-Sack wurde hinter dem Kopf auf die Heckverkleidung geschnallt (Aero). Dann ging die Post ab. Im oberen Abschnitt der B4 waren 93,7 km/h, im unteren 94,4 km/h möglich. Bei den Geschwindigkeiten ist auch die B4 zu wellig, vor den Kurven (Ich wollte die Gegenfahrbahnen nicht mitbenutzen) habe ich abgremst, sonst wären wohl an die 100 km/h drin gewesen.

An der B214 sind an einigen Stellen die Radwegüberquerungen über einmündende Nebenstraßen mit kleinen, niedlichen Vorfahrtachtenschildern ausgerüstet und nochnichteinmal verschwenkt. Ich fahre eh Straße. Sonst könnte ich auch nicht diesen Text schreiben, denn an einer nicht so ausgerüsteten Fuhrt wäre ich einem Postgolf in den Motorblock gekesselt. Wie war das mit den 50 Gründen nicht den Radweg zu benutzen?


16. Tag, 26.8.: Celle-Harburg

Tagesstrecke Schnitt Fahrzeit Spitzengeschwindigkeit Temperatur Wind
112,3 km 30,09 km/h 3o43" 52,1 km/h 28 oCO 3
Strecke: B3 - B 75 - Ehestorfer Weg - Vahrenwinkelweg - Heimfelder Straße

Bewölkt und damit relativ kühl, zumindest im Verhältnis zu den letzten zwei Wochen. Die Strecke ist inzwischen im Kleinhirn eingebrannt. Nicht viel dazu zu sagen. Am Schnitt sieht man es, was dabei rauskommt. Trotz einiger Steigungsstrecken, aber die sind ja moderat, fast nie unter 27 km/h.


Fazit

Bis zum nächten Urlaub, der geht aber wahrscheinlich mit der Hurtigroute auf fahrradungeeignetem Untergrund.

Olaf Schultz, August 1997