H4-Marketingmaschine

Ein Ausflug in die Welt der Autolampenmarketingmaschine sei hier erlaubt. Im Herbst 2002 wird von Bosch für deren Plus 50/60 geworben: ,,... Ihre Lichtausbeute ist im Vergleich zu Standard-Glühlampen bis zu 60% höher...``. Ein abendlicher Zug durch die Tankstellen und andere Geschäfte bringt dann zwei, laut Verpackung, Noname H4, eine Philips VisionPlus (vorne + 50%) hinten: `` ...Bis zu 50% mehr Licht auf der Straße, 10-20 Meter weitere Sicht und bessere Reflexion von Straßenmarkierungen und Schildern....``, eine Bosch H4, eine Bosch H4 Plus30 und eine Bosch H4 Plus60 auf den Experimentiertisch und in die UK1.

Als Bemerkung am Rande: Zuständig für die Lampen in Straßenfahrzeugen sind u.a. die DIN EN 60809 ,,Glühlampen für Straßenfahrzeuge; Maße, elektrische und lichttechnische Anforderungen``, hier Seite 15 ff. ,, Datenblatt, Kategorie H4`` (Stand Dezember 1996) und die DIN EN 60810 ,,Lampen für Straßenfahrzeuge, Anforderungen an die Arbeitsweise`` (Stand Juli 2002). In der DIN EN 60809 wird für 12V H4-Lampen eine Prüfspannung von 13,2V vorgeschrieben. Der Bemessungslichtstrom für den Fernlichtleuchtkörper beträgt 1650lm $\pm$15% und für den Abblendlichtleuchtkörper 1000lm $\pm$15%. Die Nennleistung beträgt 60W für den Fernlichtleuchtkörper bzw. 55W für den Abblendlichtleuchtkörper. Die maximale Leistung beträgt 75 bzw. 68W. Da sich die TAs und die DIN in der Regel decken müßten die $\ge$+30%-Lampen diverser Hersteller eigentlich Probleme mit der Zulassung bekommen. Interessant in diesem Sinne ist auch ein Test des SWR in Zusammenarbeit mit dem LTI (www.swr.de/ratgeber-auto/archiv/2001/03/17/print4.html) mit H4- und H7-Lampen.


Tabelle 3.5: Grunddaten von getesteten H4-Lampen
Lampe Leuchtk. P_0h d $P$ n L D
$d_{\mbox{\footnotesize Kolben}}$       avg. Mitte      
    [W] [µm] [µm] [-] [mm] [mm]
Linzhi Abb. 65,1 181 352 320 17 5,98 1,44
16 Fern. 73,33 188 326 340 14 4,56 1,5
Linzhi (II) Abb. 66,69 181 322 295 18 5,79 1,43
16 Fern. 70,79 188 349 265 14 4,88 1,64
Philips VP Abb. 64,02 167 292 250 17 4,97 1,24
14,2 Fern. 72,6 175 349 320 14 4,89 1,54
Bosch Abb. 66,33 181 328 340 18 5,9 1,52
16 Fern. 71 175 345 340 14 4,84 1,63
Bosch Plus30 Abb. 58,54 163 291 290 18 5,23 1,2
16 Fern. 70,84 175 331 340 14 4,63 1,38
Bosch Plus60 Abb. 59,33 161 293 260 18 5,3 1,1
16 Fern. 70 178 321 310 14 4,5 1,48

Die Nonames sind von Linzhi (Jiangsu Changshu Linzhi Co Ltd.), es sind zwei unterschiedliche Versionen im Test. Die Bezeichnung beider ist identisch. Bei der einen ist der Kragen mit dem Rest vollflächig verlötet und die Beschriftung aufgelasert, bei der anderen ist der Kragen über sechs Laschen punktgeschweißt und die Schrift eingestanzt. Am Sockel sind noch einige andere Unterschiede zu beobachten.

Bei den Lampen von Bosch ist noch ein Herstellungscode (Datum kodiert?) und die Uhrzeit aufgedruckt.

Die VisionPlus ist im vorderen Bereich des Abblendleuchtkörpers mit einem dezenten Blaufilter versehen. Der Lichtanteil, der vom äußeren Teil des Reflektors gebündelt wird, wird bläulicher gefärbt. In der Regel ist dieser Anteil des Lichtstromes der für die ferneren Anteile. Das Nahlicht kommt in der Regel vom inneren Bereich des Reflektors und wird damit hier nicht gefiltert.

Die Leistung $P_{0h}$ ist die Leistung, die die Lampen bei Inbetriebname an 13,2V aufgenommen haben. Der Durchmesser $D$ ist der gesamten Wendel, nicht der der Drahtachse. Die Länge $L$ wird zwischen den Außenkanten des Drahtes der jeweils äußerten Wendel gemessen.

Die Plus30 und Plus60 haben anscheinend dünnere Drähte für den Abblendlichtleuchtkörper. Weiterhin sind die Leuchtkörper enger gewickelt, was sich in der absoluten Länge, der daraus gemittelten Steigung (avg.) und der Steigung einer Wendel in der Mitte der jeweiligen Leuchtkörper zeigt.

Die Lampen sind hier eine Stunde bei 13,2V je Leuchtkörper gealtert. Durch eine Fehlschaltung, sind die Linzhi und die Bosch-Lampen eine Stunde mit 13,2V über beide Leuchtkörper vorgealtert. Die Brennlage ist waagerecht, die Abblendwanne liegt unterhalb des Leuchtkörpers.


Tabelle 3.6: Lichtstrommessungen H4 etc. ( $C_{\mbox{\footnotesize K}}=0,176$)
Lampe Leuchtk. $P$ $\Phi$ $\eta$
    [W] [lm] [lm/W]
Linzhi Abb. 73,1 998 13,65
  Fern. 64,85 1792 27,63
Linzhi II Abb. 63,94 973 15,21
  Fern. 72,06 1677 23,27
Philips VP50 Abb. 70,75 1174 17,45
  Fern. 67,28 1877 26,53
Bosch Abb. 66,05 1048 15,87
  Fern. 71,17 1815 25,5
Bosch Plus30 Abb. 58,49 1121 19,17
  Fern. 70,63 1991 28,19
Bosch Plus60 Abb. 54,72 1067 19,5
  Fern. 70 2098 29,97
OSRAM Ba20D Abb. 34,45 384 11,18
Bilux 7327 Fern. 33,48 606 18,1

Die Schatter für die Abblendlichter sind eindeutig absolute Energierverschwender und das Versprechen von einer Lichtausbeute von bis zu +30% oder sogar +60% wird nur marketingtechnisch eingehalten. In Bild 3.6 sind die Lichtausbeuten auf die der normalen Bosch H4 bezogen.

Bild 3.6: Vergleich von H4-Lampen (Lichtausbeute bezogen auf Bosch)
\begin{figure}\centering
\includegraphics[width=8cm]{Meszwerte/Birnen/H4_lmproWatt}
\end{figure}

Die Messungen in der Ulbrichtkugel (siehe oben) sind eine Methode. Als zweite Bewertungsmethode wird die Leuchtstärke der Lampen in definiertem Abstand (53cm) bestimmt (siehe Tabelle 3.7). Hier wird der Sensor oberhalb der Lampen positioniert. Durch die Reflexion des Lichtes in der Wanne wird das Abblendlicht stärker erscheinen als bei der Messung in der UK. Für Messungen am Fernlicht wird die Lampe um 90 Grad gedreht, so ist der Fadenhalter nicht als Abschatter wirksam. Ziel dieser Messung ist nur ein relativer Vergleich der Lampen untereinander!


Tabelle 3.7: Leuchtstärkemessung H4 (Meßabstand 53cm)
Lampe Leuchtk. $P$ $\mbox{E}$ $\eta$
    [W] [lx] [lx/W]
Linzhi Abb. 65,19 950 14,57
  Fern. 73,46 650 8,85
Linzhi II Abb. 63,94 940 14,7
  Fern. 72,06 630 8,74
Philips VP 50 Abb. 67,19 1080 16,07
  Fern. 70,98 740 10,43
Bosch Abb. 65,79 870 13,22
  Fern. 71,4 723 10,13
Bosch Plus30 Abb. 58,54 1000 17,08
  Fern. 70,88 740 10,44
Bosch Plus60 Abb. 59,2 970 16,38
  Fern. 70,4 746 10,6

Trägt man die Lampen gegeneinander auf und bezieht die Werte auf die der normalen Bosch-Lampe als ,,Standard-Glühlampe``, so ergibt sich Bild 3.7

Bild 3.7: Vergleich von H4-Lampen (Strahlstärke bezogen auf Bosch)
\begin{figure}\centering
\includegraphics[width=8cm]{Meszwerte/Birnen/H4_Leucht}
\end{figure}

Als Fazit kann gezogen werden: Viel Blendwerk in doppeltem Sinne: Real (siehe WDR-Artikel) und Marketingtechnisch. Die versprochene höhere Lichtausbeute (lm/W) wird nicht eingehalten. Allerdings sollen dies Lampen durch die kleinere leuchtenden Fläche ein bessere Abbildung auf der Straße erzielen als alte H4-Wendelgeometrien. Ein Vorteil von H4 gegenüber den HS3-Lampen: Es gibt eindeutig mehr lm/Euro.

Olaf Schultz, Hamburg-Harburg
2010-10-02